Schreibwerkstatt-Wiki: Potenziale für Lehr-/Lernkontexte

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Plattform für Lehr- und Lerninhalte

Das Schreibwerkstatt-Wiki eignet sich besonders für Schreibanlässe. Es können verschiedene Aufsatzformen wie Bildgeschichten, Erlebnis-, Fantasie- oder Nacherzählungen geschrieben und überarbeitet werden. Im Wiki können nicht nur verschiedene Unterrichtsinhalte aufgegriffen, sondern zugleich gesichert werden. Ein fächerübergreifender Einsatz ist auch denkbar. Im Deutschunterricht können die Geschichten verfasst werden und parallel dazu kann im Kunstunterricht das Design der Wiki-Artikel gestaltet werden, z.B. durch die Veränderung der Schrift- und Hintergrundfarbe sowie durch das Einbinden von Fotos oder selbst gemalten Illustrationen.

Unmittelbare Korrekturmöglichkeit und übersichtliche Darstellung

Bei gewöhnlichen Schreibkonferenzen stellt sich im Revisionsprozess die Schwierigkeit, die Überarbeitungen so zu notieren, dass sie anschließend noch identifizierbar sind. Wenn nur wenig Platz auf den Textentwürfen zur Verfügung steht oder auch mehrere Revisionen an derselben Textstelle vorgenommen werden, können die Notizen schnell unübersichtlich werden (Becker-Mrotzek 2000:51 [1]). Dieses Problem entfällt bei Schreibkonferenzen, die mit Wikis durchgeführt werden. Wikis bieten ein revisionsfreundliches Format an, da Korrekturen unmittelbar im Text eingetragen werden können. Digitale Texte haben durch ihre veränderliche Struktur den Vorteil, dass problemlos etwas hinzugefügt oder gelöscht werden kann und Textpassagen durch die Copy-and-Paste-Funktion (Kopieren und Einsetzen) auf einfache Weise umgestellt werden können. „Gerade für Schreibanfänger ist Überarbeiten häufig identisch mit Abschreiben, einer nicht nur motorisch anstrengenden, sondern auch wenig motivierenden Aufgabe“ (Becker-Mrotzek/Böttcher 2003:37 [2]). Zudem werden vorgenommene Änderungen in der Versionengeschichte eines Artikels automatisch gespeichert und können jederzeit nachvollzogen werden. Es besteht auch die Möglichkeit, Kurzzusammenfassungen zu den durchgeführten Verbesserungen anzugeben (Beißwenger/Storrer 2007:3 [3]).

Lernkontrolle

Die Versionenverwaltung von Wiki-Systemen bietet speziell für die Schreibdidaktik ein interessantes Potenzial: Die Versionierungskomponente speichert automatisch alle Versionen einer Seite mit Datum, Uhrzeit und Name des jeweiligen Bearbeiters ab. Weiterhin ermöglicht der Versionenvergleich, sich die vorgenommenen Änderungen unmittelbar anzeigen zu lassen. Die Lehrperson kann auf diese Weise alle Phasen des Schreibprozesses nachvollziehen (Beißwenger/Storrer 2008:131 [4]). Unter anderem kann sich der Lehrer auf der „Letzte-Änderungen-Seite“ über aktuelle Beiträge informieren und sich unter den Benutzerbeiträgen alle Bearbeitungen eines bestimmten Benutzers anzeigen lassen (Himpsl 2007:51ff. [5]). Die Transparenz aller Schreib- und Überarbeitungsvorgänge erlaubt es, nicht nur das Ergebnis, sondern auch den Prozess in die Bewertung einfließen zu lassen.

Eine Ergebniskontrolle auf der Schülerseite erfolgt innerhalb der Schreibkonferenzen durch die Verbesserungsvorschläge des Helferkindes. Aber auch außerhalb der Schreibkonferenzen können die Kinder die Wiki-Seiten der anderen Schüler korrigieren.

Hypermedia-Funktionalität

Die Produktion von Wikis birgt die Chance, Inhalte multimedial darzustellen, denn in Wikis können Textelemente, Bilder, Audio- und Videodateien kombiniert werden. Indem die Schüler Bilder in ihre Aufsatzseiten einfügen, werden verschiedene Medienobjekte in einem Wiki-Artikel integriert. Jede Wiki-Seite kann sowohl mit beliebigen anderen Seiten desselben Wikis als auch mit beliebigen anderen WWW-Seiten verlinkt werden (Beißwenger/Storrer 2007:3f.[3] Insbesondere die Verlinkung der Aufsätze mit den entsprechenden Benutzerseiten der Autoren bietet sich für das Schreibwerkstatt-Wiki an.

Diskussion und Kooperation

Das Schreibwerkstatt-Wiki unterstützt die kooperative Hypertext-Produktion, da jeder angemeldete Nutzer neue Seiten anlegen kann oder bestehende Seiten überarbeiten kann. Wikis als eine Plattform für die kollaborative Erstellung von Texten bieten sich insbesondere für Schreibkonferenzen an, da auch hier mehrere Schüler am gleichen Inhalt arbeiten. Außerdem wird zu jeder Artikelseite eine Diskussionsseite mitangelegt (Beißwenger/Storrer 2007:4 [3]). Auf diesen Seiten können Korrekturhinweise zu den Geschichten geschrieben werden, sodass ein Informationsaustausch unter den Schülern stattfinden kann.

Selbstständiges Arbeiten und Lernmotivation

Das Schreibwerkstatt-Wiki fördert das selbstständige und eigenverantwortliche Arbeiten der Schüler, denn sie sind die Autoren des Wikis. Sie schreiben, überarbeiten und verbessern ihre Geschichten. Im herkömmlichen Schreibunterricht verfassen die Schüler ihre Aufsätze meist nur für den Lehrer, der sie Korrektur liest. Im Gegensatz dazu können im Schreibwerkstatt-Wiki alle Erzählungen von jedem Nutzer des Wikis gelesen und korrigiert werden, sodass die Schüler angespornt werden, besonders spannende und auch fehlerfreie Aufsätze zu schreiben. Durch den einfachen Umgang mit der Wiki-Syntax sind schnell erste Ergebnisse sichtbar, die sich auf die Motivation der Kinder positiv auswirken (Beißwenger/Storrer 2007:2 [3]). Aber auch schon allein der Umgang mit den Medien Computer und Internet stellt einen Motivationsfaktor dar.

Hilfeseiten für die Schreibkonferenz

Die Schreibhilfen Lexikon, Verschiedene Satzanfänge, Wortfelder: Verben/ Adjektive, Zeichensetzung bei wörtlicher Rede und Artikel bieten den Schülern umfassende Hilfestellungen beim Schreiben und gemeinsamen Überarbeiten der Aufsätze an. Durch die Ausnutzung des Link-Prinzips können die Schüler unmittelbar auf die Schreibhilfen zugreifen.

Hilfestellung für die Bedienung des Schreibwerkstatt-Wikis

Das Schreibwerkstatt-Wiki stellt auf seinen Seiten grundlegende Informationen für die Handhabung des Wikis zur Verfügung. Die Artikelseite Wiki-Hilfe beschreibt die Regeln für die Nutzung des Wikis und gibt den Schülern Hilfestellungen für die Gestaltung der persönlichen Benutzerseite, für die Erstellung neuer Wiki-Artikel sowie für das Aufrufen bestehender Texte. Unter anderem ist in der Wiki-Hilfe eine Liste der wichtigsten Wiki-Codes abgebildet. Die Wiki-Codes veranschaulichen Formatierungsbefehle für die Gestaltung des Schriftschnitts (fette, kursive Schrift), für die Erstellung von Überschriften und Aufzählungslisten sowie für das Einbinden von Bildern und Hyperlinks.

Erweiterter Kompetenzbegriff

Durch die Kombination von Schreibkonferenzen mit Wikis kann einem erweiterten Kompetenzbegriff Rechnung getragen werden. Wikis besitzen das Potenzial, gleichzeitig Schreibkompetenzen und Medienkompetenzen zu fördern. Da die Beteiligung an einer Wiki-Community ohnehin Kommunikation, Kooperation und Toleranz erfordert, werden auch soziale Kompetenzen entwickelt (Klampfer 2005: 31 [6]). Dadurch, dass der Lehrer über die Versionenverwaltung nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Prozesse beobachten und beurteilen kann, werden Schüler mit guten Teamkompetenzen berücksichtigt (Himpsl 2007:119 [5]).

Ständige Verfügbarkeit

Ein häufiges Problem im Schulalltag ist, dass Schüler ihre Lern- und Arbeitsmaterialien zu Hause vergessen und dadurch nur bedingt am Unterrichtsgeschehen teilnehmen können. Insbesondere beim Verfassen von Geschichten und bei anschließenden Schreibkonferenzen bilden die Texte wiederholt die Arbeitsgrundlage. Die permanente Zugriffsmöglichkeit auf Wiki-Seiten stellt diesbezüglich einen wesentlichen Vorteil von Wiki-Webs dar. Der Vorzug gegenüber einer traditionellen Niederschrift der Texte und Überarbeitungen auf einem Papierformat ist, dass die Arbeit an den Texten auch bei zu Hause liegen gebliebenen Unterlagen oder bei Krankheit eines Schreibkonferenz-Mitglieds fortgeführt werden kann.

Schnelle und einfache Bedienung

Ein grundlegendes Merkmal von Wiki-Systemen ist die einfache Editierbarkeit der Wiki-Seiten. Ein Erstellen von Beiträgen erfolgt direkt im Web-Browser, indem über den Link Bearbeiten die Bearbeitungsansicht des jeweiligen Artikels geöffnet wird und dort die Veränderungen eingetragen werden. Dazu muss lediglich eine leicht handhabbare Wiki-Syntax erlernt werden, mit der Überschriften und Aufzählungslisten erzeugt werden können, die Schrift formatiert werden kann sowie Bilder und Hyperlinks eingefügt werden können (Beißwenger/Storrer 2007:2 [3]).

Voraussetzung für die Nutzung

Für das Projekt Schreibwerkstatt-Wiki wird das Wiki-System MediaWiki der Lehr-/ Lernplattform EWS benötigt. Es besteht aber auch die Möglichkeit, MediaWiki kostenlos unter http://www.mediawiki.org herunterzuladen (Beißwenger/Storrer 2007:1 [3]).

Schülersicht in Bezug auf das Schreibwerkstatt-Wiki

Die größtenteils positiven Rückmeldungen aus einer Evaluation zum Einsatz des Schreibwerkstatt-Wikis mit den Schülern der Wiki-AG sprechen für sich.

Mögliche Einwände

In der Literatur werden nicht nur Vorteile von Wiki-Webs für Anwendungen im Bildungsbereich genannt, sondern auch Bedenken. Die Aussage „if anybody can edit my text, then anybody can ruin my text“ (Lamb 2004, zit. n. Abfalterer 2007:66 [7]) trifft ein häufiges Argument gegen einen schulischen Einsatz von Wiki-Webs, nämlich, dass nicht nur jeder Wiki-Seiten erstellen und schreiben kann, sondern auch jeder die Texte anderer Personen vorsätzlich zerstören kann. Diese Bedenken können entkräftet werden, weil die Funktionen der Versionenverwaltung es erlauben, frühere Versionen eines Wiki-Artikels jederzeit wiederherzustellen. Eine härtere Vorsichtsmaßnahme stellt die Beschränkung der Editorenrechte dar (Abfalterer 2007:66 [7]). Durch den geschlossenen Zugang des Schreibwerkstatt-Wikis können Vandalismusakte von außen ohnehin verhindert werden. Der Lehrer sollte die Schüler vor der Arbeit mit dem Wiki darauf hinweisen, dass bestehende Texte anderer Kinder nur dann verändert werden dürfen, wenn sie fehlerhaft sind. Innerhalb der Schreibkonferenzen können inhaltliche Veränderungen vorgenommen werden, wenn das Autorenkind zugestimmt hat.

Ein weiterer Kritikpunkt an Wikis im Rahmen schulischer Einsatzzwecke ist die dynamische Komponente. Dadurch, dass sich Wikis in einem ständigen Auf- und Abbau befinden, erscheint eine Leistungsbewertung der Schülertexte zunächst schwierig. Dagegen hilft die Sicherung der Wiki-Seiten zu einem fest vereinbarten Zeitpunkt mittels eines Screenshots (Abfalterer 2007:67 [7]).

Einzelnachweise

  1. Becker-Mrotzek, Michael (2000): Schreibkonferenzen. Eine diskursive Form der Textbearbeitung. In: Die Grundschule, Heft 12/ Dezember, S. 49-53.
  2. Becker-Mrotzek, Michael/ Ingrid Böttcher (Hrsg.) (2003): Texte bearbeiten, bewerten und benoten. Schreibdidaktische Grundlagen und unterrichtspraktische Anregungen. Berlin: Cornelsen Verlag Scriptor.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 Beißwenger, Michael/ Storrer, Angelika (2007): Wiki-Einsatz in Lehr-/ Lernkontexten. In: ComputerPostille. Wiki-Einsatz in Lehr-/Lernkontexten. 22.06.2009
  4. Beißwenger, Michael/ Storrer, Angelika (2008): Wiki-Einsatz in universitären Blended Learning-Szenarien: Konzepte und Erfahrungen aus der Dortmunder Germanistischen Linguistik. In: Hambach, Sybille/ Martens, Alke/ Urban, Bodo (Hrsg.): e-Learning Baltics 2008. Proceedings of the 1st International eLBa Science Conference in Rostock, Germany, June 18-19, 2008. Stuttgart, S. 129-138. Wiki-Einsatz in Blended Learning-Szenarien. 22.06.2009.
  5. 5,0 5,1 Himpsl, Klaus (Hrsg.) (2007): Wikis im Blended Learning. Ein Werkstattbericht. VWH Verlag.
  6. Klampfer, Alfred (Hrsg.) (2005): Wikis in der Schule. Eine Analyse der Potenziale im Lehr-/ Lernprozess. B.A.-Arbeit, FernUniversität Hagen. http://teaching.eduhi.at/alfredklampfer/bachelor-wikis-schule.pdf
  7. 7,0 7,1 7,2 Abfalterer, Erwin (Hrsg.) (2007): Foren, Wikis, Weblogs und Chats im Unterricht. VWH Verlag.
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