Unterscheidung vom enzyklopädischen und journalistischen Schreiben

Aus IBK-Wiki
Wechseln zu: Navigation, Suche

Um das Verständnis von Wikipedia-Einsteigern für den Schreibstil zu schärfen, der im enzyklopädischen Bereich der Wikipedia als angemessen betrachtet wird, stellen (erfahrene) Wikipedianer den journalistischen und den enzyklopädischen Schreibstil vergleichend gegenüber und beschreiben sie im Hinblick auf ihre spezifischen Besonderheiten (s.u. "Enzyklopädischer vs. journalistischer Schreibstil").

  • Die Planung und Gestaltung des Unterrichts orientiert sich an dieser Überlegung.
  • Durch den analysierenden Vergleich enzyklopädischer und journalistischer Texte sollen die Schreib- bzw. Stilkompetenzen der Lernenden gefördert werden.
  • Die sprachlich-funktionale Analyse von unterschiedlichen textorientierten Schreibprodukten soll dazu beitragen, den Lernenden bewusst zu machen, dass sprachliche Formen und sprachliche Handlungsziele zusammenhängen und dass kontextuelle und situative Veränderungen zur Stil- bzw. Sprachvariation führen.


Enzyklopädischer vs. journalistischer Schreibstil

Um Wikipedia-Einsteigern bewusst zu machen, welcher Schreibstil in der Wikipedia erwünscht ist, und um ihr Bewusstsein dafür zu stärken, dass beim Schreiben auf den Artikelseiten die Funktion des Schreibproduktes berücksichtigt und der Schreibstil den Gepflogenheiten des Mediums angepasst werden muss, stellen Wikipedianer den wissenschaftlichen, journalistischen und enzyklopädischen Stil gegenüber und grenzen sie voneinander ab.

In Anlehnung an van Dijk (2010: 81-96)[1] und an Ausführungen im Wikipedia-Lehrbuch, welches unter Wikibooks verfügbar ist, werden im Folgenden der journalistische und der enzyklopädische Schreibstil gegenübergestellt, um zu verdeutlichen, dass die Wahl des Schreibstils und die kommunikative Funktion des Schreibproduktes zusammenhängen (vgl. Storrer i.Dr.: Abschnitt 3.2) und Transformationsprozesse mit der Variation von Sprache und Stil einhergehen müssen.


Auf den Wikipedia-Artikelseiten wird belegbares Wissen in einem einer Enzyklopädie angemessenen (Sprach-) Stil dargestellt. Artikelautoren verfassen verständliche, informative und präzise Artikeltexte, indem sie Redundanzen vermeiden, sich auf das Wesentliche konzentrieren und Objektivität bewahren. Sie unterlassen Wertungen, Emotionalisierungen, werbende Formulierungen, Kraftausdrücke, Ironie, Wortspiele, Untertreibungen, Übertreibungen, setzen keine rhetorischen Stilmittel ein und vermeiden ungenaue Begriffe - wie beispielsweise Indefinitpronomen (viele, wenige), Lokaladverbien (hier, oben, dorthin) und Temporaladverbien (heute, inzwischen). Dadurch, dass Autoren ihre persönlichen Einstellungen nicht darlegen und divergierende Meinungen zu einem Thema ausgewogen und quellenbasiert darstellen, wird eine Einwirkung auf die Meinungsbildung vermieden. Fachwörter, die sich nicht vermeiden lassen und das Verständnis von Zusammenhängen erschweren, werden erklärt oder verlinkt. Um Missverständnisse zu verhindern und einen mühelosen Lesefluss zu ermöglichen, werden Informationen durch klare Satzstrukturen sinnvoll miteinander verbunden; es werden sowohl komplizierte (z.B. lange Schachtelsätze) als auch aneinandergereihte kurze Sätze gemieden. Artikel haben kurze und prägnante Titel, die dazu dienen, Themen schnell zu finden. Der Wechsel zwischen gegenwärtigen und vergangenen Ereignissen bzw. Zuständen wird durch die Verwendung bestimmter Tempora gezeigt: Aussagen über Gegenwärtiges (Bestehendes, Gültiges) werden im Präsens formuliert; die Darstellung abgeschlossener Ereignisse erfolgt überwiegend im Präteritum. Zitate werden nur dann eingesetzt, wenn der exakte Wortlaut einer Quelle für das Verständnis der Zusammenhänge unverzichtbar ist. Wikipedia-Artikel sind gut strukturiert; sie haben eine äußere Gliederung und eine innere Ordnung. Dies wirkt sich durchaus positiv auf den Verstehensprozess aus.


Journalisten handeln nach Leitgedanken, die einer Enzyklopädie nicht unbedingt entsprechen: Sie "suchen das Neuartige, Unerhörte, Sensationelle, das aber auch das Leben der Leser betrifft (oder scheinbar betrifft) und an deren Vorwissen anschließt" (van Dijk 2010: 82). Sie verfassen verständliche und interessante Artikel, deren Funktion darin besteht, die Leser zu informieren bzw. zu unterhalten - für die Beschäftigung mit einem Thema müssen sie allerdings ein Motiv, einen aktuellen Bezug, haben. Sie setzen Wortspiele ein und verwenden Strategien zur Emotionalisierung; Kraftausdrücke finden sich "nicht nur im Boulevard und Feuilleton, sondern auch in ernsten Bereichen wie Wirtschaft und Politik seriöser Medien" (van Dijk 2010: 83). Durch spektakuläre Überschriften und die Darlegung von Themen als etwas Besonderes streben Journalisten an, das Interesse der Rezipienten anzuregen. Nicht selten wirken journalistische Texte auf die öffentliche Meinung ein. Zur Darstellung gegenwärtiger Ereignisse oder Zustände verwenden sie das Präsens; abgeschlossene Ereignisse werden entweder im Präteritum oder im historischen Präsens abgehandelt. Aus Gründen der intendierten Spannungssteigerung präferieren Journalisten die letztgenannte Zeitform.



Einzelnachweise

  1. Van Dijk, Ziko (2010): Wikipedia. Wie Sie zur freien Enzyklopädie beitragen. München: Open Source Press.



zurück